Tandemrundfahrt durch Ecuador

Wir bedanken uns beim Chemnitzer Fahrradladen  logo radschlag für die Unterstützung.

 

Reisekurzbericht von Jens-U. Groß, 06.11.2002:


Cornelia & Jens


Franklin P. und sein Großvater


Am Äquator





Abfahrt durchs Pastazatal vom Andenhochland ins Amazonastiefland


Unterwegs auf Urwaldpisten


Im AmaZOOnica am Rio Napo, Amazonastiefland


Rio Napo, Amazonastiefland

 





Geschafft: Paso Papallcta
(4064 m)


Morgennebel in den Anden


Flussüberquerung im Regenwetter









Mit dem Fahrrad Ecuador, eines der ursprünglichsten Andenländer, zu durchqueren, hatten sich mein langjähriger Radelpartner Lutz Gebhardt und ich, Jens-Ulrich Groß, für unsere nunmehr fünfte Reise auf dem südamerikanischen Kontinent vorgenommen. Wie bereits 2000 in Südchile begleitete uns meine Frau Cornelia. Während Lutz sich auf einem Mountainbike abstrampelte, kämpften Conny und ich im Gleichtakt auf einem Tandem mit Gepäckanhänger über die asphaltierten Straßen und Schotterpisten durch das Andenhochland, das Amazonastiefland und die Küstenregion.

Die Menschen waren sehr freundlich und aufgeschlossen, mehr als in Peru und Bolivien. Mit dem Tandem (bicycleta doble) sind wir auch richtig aufgefallen. Zwei Leute auf einem Fahrrad ist zwar für Ecuadorianer beinah normal, aber dass jeder seinen eigenen Sattel und Pedale hatte, war neu ("Oh! Dos pedales!?).

Gleich am ersten Tag nach unserer Ankunft in Quito (älteste Hauptstadt Südamerikas) haben wir Franklin, unser WORLD-VISION-Patenkind, kennen gelernt. Er lebt mit seinen Großeltern in einer kleinen Hütte in einem Gebirgsdorf in der Nähe von Otavalo (Kleinstadt an der PanAm 100 km nördlich von Quito) und kann dank unserer monatlichen Unterstützung die Schule besuchen.

Nach einem weiteren Tag in Quito mit Besuch Äquatordenkmal, Innenstadt und Markt - hier hat man Lutz' Hosentasche aufgeschlitzt, um ans Geld ranzukommen, zum Glück erfolglos - starteten wir dann an einem sonnigen Sonntagmorgen zu unsrer Rundfahrt durch Ecuador. Auf der Straße der Vulkane ging es in Richtung Süden, vorbei am Cotopaxi (5897 m), dem höchsten aktiven Vulkan der Erde, an dessem Fuß wir zelteten. Leider verhüllten Wolken den Gipfel.

In Ambato schwenkten wir nach Osten ab und rollten über Baños durchs Pastazatal in den Urwald hinunter. Dichte Vegetation, die Berge und einige Wasserfälle säumten den Weg.

In Misahuallí (500 m üNN) unternahmen wir einen eintägigen Bootsausflug auf dem Rio Napo (Zufluss Amazonas), mit Wanderung durch den Urwald und Besuch des AmaZOOnica. Eigentlich wollten wir samt Fahrräder den Rio Napo 130 km abwärts schippern und dann auf einer Urwaldpiste zurück radeln, da letztere aber in sehr schlechtem Zustand sein sollte, hatten wir den Trip weggelassen.

Am Fuße der Anden fuhren wir wieder über Tena in nördliche Richtung. Drei Tage lang ging es dann (fast) nur noch bergauf, ehe wir auf dem Papallacta-Pass (4064 m) standen und damit die Ostkordilliere überwunden hatten. Die Nacht vorher verbrachten wir in einem der teuersten Hotel Ecuadors, dem Termes de Papallacta. Aus den in eingeschossigen Hütten untergebrachten Hotelzimmern gelangte man unmittelbar in die Warmwasserbassins. Beim Aalen im 36-38° warmen Wasser hatte man einen phantastischen Blick auf die umliegenden Berge (wenn sie gerade mal nicht wolkenverhangen waren). Kolibris flatterten durch das Grün der gut gepflegten Anlage.

Bei der Weiterfahrt ließen wir Quito nördlich von uns liegen, kreuzten die Panamericana, überquerten auch die Westkordillere (ca. 3400 m) und schossen noch am gleichen Tag bis nach Alluriquin hinunter, das auf knapp 1000 m Höhe liegt. Hier verließen wir die Asphaltstraße, um auf einer unbefestigten Hochgebirgspiste durch eine abgelegene Regionen am Westhang der Anden zum Laguna Quilota (ca. 3500 m) zu gelangen. „Jetzt fängt die Tour so richtig an!“ rief ich begeistert nach den ersten Kilometern meinen beiden Mitfahrern zu. (Fast) kein Auto störte mehr auf der schmalen Piste, die Vegetation wucherte in üppigem Grün, bunte Schmetterlinge flatterten dazwischen, Vogelgezwitscher und Grillengezirpe, eine kleine grüne Schlange (giftig!?) wand sich vor meinem Vorderrad durch den Staub und verschwand blitzschnell im Dickicht. Abenteuer pur. Auch dass die anfangs beinah „gemütlich“ durchs Tal führende Piste sich bald in Serpentinen steil aus dem Tal wand und mir bald der Schweiß in Strömen lief, das Tagesende sich bedrohlich näherte und immer noch keine Zeltmöglichkeit in Sicht war, konnte meine gute Laune nicht vertreiben. Es war schon fast finster, als Lutz einen Notzeltplatz entdeckte. Ein gerade vorbeikommende Bauer lud uns jedoch kurzerhand in seine Hütte ein.

Regen in der Nacht, doch am nächsten Morgen sorgten Sonnenschein, wenige Wolkenfetzen, klare Sicht und das üppige Grün der Berglandschaft für eine phantastische Stimmung. Und folglich auch für Elan. Conny und ich meisterten so manche Steigung, die wir sonst nur schiebend bezwungen hätten. Wir kamen durch kleine Dörfer, Bananen- und Zuckerrohrplantagen, Kuhweiden, überquerten Flüsse watend oder über schmale baufällige Brücken. In San Franciso de las Pampas machten wir Mittagspause. Die Wolkendecke wurde immer dichter, auf der Weiterfahrt fing es ordentlich an zu regnen. Am Nachmittag standen wir in einer Siedlung vor einem total aufgewühlten verlehmten Steilstück. Zu Fuß hatte ich den Weiterweg erkundet, hinter dem Steilstück bot sich eine Unterstellmöglichkeit an. Der Abschnitt war nicht zu umgehen, das Tandem mussten wir zu dritt schieben, anschließend war es völlig verschmiert und zugesetzt. Lutz` Fahrrad trug ich, vom Gepäck befreit, kurzerhand durch den Lehm, ständig rutschend und schlitternd. An Weiterfahren war an diesem Tage nicht mehr zu denken. Auf der überdachten Veranda des „Schulspeisesaales“ bauten wir unser Zelt auf. Ein in der Nähe sich befindlicher Wasserhahn bot die Möglichkeit, Gepäck, Tandem, Anhänger und sich selbst vom Lehm zu befreien.

Am Abend und in der Nacht plagten uns die Fragen nach dem „Wie Weiter?“. Die Piste zum Laguna Quilota haben wir wohl etwas unterschätzt. Die Höhenunterschiede waren insbesondere für uns Tandemfahrer auf die Dauer kaum zu bewältigen. Wir würden viel mehr Zeit als geplant brauchen und damit war das für uns ebenso wichtige Erlebnis „Küste“ in Gefahr. Und dann noch der unbestimmte Faktor Wetter! Wir mussten damit rechnen, dass die Nachmittage total verregnet sind – so unsere bisherige Erfahrung. Am nächsten Morgen entschieden wir uns kurzerhand für Umkehr. Eine Mitfahrgelegenheit auf einem LkW nahmen wir war und schon am frühen Nachmittag standen wir wieder in Alluriquin. Die Berge, aus denen wir gerade kamen, waren schon wieder mit dunklen Wolken verhangen! Eine Antwort auf die quälende Frage, ob die Umkehr richtig war?

Nach einem Mittagessen und einer zweistündigen Regenfahrt bezogen wir Quartier in einem ****-Hotel in Santo Domingo de los Colorados. Welch Wohltat eine heiße Dusche oder das morgendliche Bad im Swimmingpool sein kann.

Die 250 km nach Portoviejo in der Küstenregion hatten wir als wenig abwechslungsreich eingeschätzt und steuerten deshalb in Santo Domingo den Busbahnhof an. Der Fahrkartenverkäufer drängte zur Eile, der Bus stand abfahrbereit. Packtaschen, Fahrrad, Tandem und Anhänger wurden aufs Dach gehievt und während der Bus bereits langsam die Stadt verließ, zurrten Lutz und ich noch alles fest. Nach 5 Stunden mit vielen Zwischenstopps erreichten wir Portoviejo.

Die Fahrt zur Küste stellte nochmals erhöhte Anforderungen an die Kondition. Statt vom 450 m hoch gelegenen Jipijapa die knapp 30 km einfach nur hinunter zur Küste zu sausen, mussten wir nochmals einen 700 m hohen in Nieselregen verhüllten Bergrücken erklimmen, ehe wir die Füße in den Pazifik eintauchen konnten.

In der uns verbleibenden Woche fuhren wir langsam die Küste abwärts. Wir übernachteten in den Öko-Lodgen Alandaluz und Valdivia und in einfachen Cabañas (Hütten), tummelten uns in den Wellen des Pazifiks und schauten vergeblich auf ein paar Sonnestrahlen hoffend zum mit grauen mit Wolken verhangenen Himmel. Die letzte Küstenetappe brachte uns nach Salinas, dem teuersten Badeort Ecuadors. Ein Trip zum westlichsten Punkt Ecuadors, der Punta Santa Elena, blieb uns verwehrt, dort hat das Militär das Sagen. Nach einem Zwischenstopp in Baños de San Vicente und Bad in der dortigen Thermalquelle brachte uns eine 125-km-Tagestour nach Guayaquil, die größte und (angeblich) gefährlichste Stadt des Landes. Vom internationalen Flughafen, der eher einem Provinzflughafen gleicht, flogen wir über Madrid zurück nach Deutschland.

 

Die Route:

1227 km (1006 km Asphalt, 221 km Schotterpisten)
14.032 Höhenmeter
Fahrzeit: 92 Stunden,  ø 13,3 km/h

Höhenprofil (PDF)