Radtour auf den Kanarischen Inseln                                                         Jan./Feb. 1991

 

 

Es ist Winter in Deutschland. Wir entfliehen der kalten Jahreszeit und dem Alltagsstress. Wir jetten auf die Kanarischen Inseln - die Bikes sowie Zelt und Schlafsack im Fluggepäck. Von den sieben kanarischen Inseln stehen drei auf dem Programm: Teneriffa, Hierro, Fuerteventura. Für die reichlichen zwei Wochen ein dichtes Programm - wie wir heute resümieren.

 

 

Auf und Ab auf Teneriffa

 

Anflug auf Teneriffa: rechts am Bullauge schieben sich langsam der Mt. Teide und der Südoststrand der Insel ins Bild. Weiße Brandungsränder an der Uferlinie, die Spitze des Teide ist schneebedeckt. Ein anfänglich kahler, später baumbewachsener Bergrücken zieht sich vom Gipfel zur Nordostspitze der Insel und ist bestimmend für das Relief der Insel. Die in dieser exponierten Lage führende Straße werden wir bald entlang fahren.

 

In der Mittagsglut strampeln wir los und nehmen die ersten Steigungen unter die Pneus. Der zunächst karge Eindruck von der Flughafenumgebung muss bald korrigiert werden: die ohnehin grün gewordene Landschaft zieren zahlreiche Kakteen. Wir entdecken verschiedenste Sorten: langstielige, schlanke, flachblättrige, mit vielen oder wenigen Stacheln. Rote fleischig-saftige Früchte dekorieren die Agavengewächse.

 

Der erste bescheide Abstecher in die Berge erweist sich als sehr anstrengend: Ständiges bergauf und -ab, hochprozentige Steigungen sind keine Seltenheit. Eine Abkürzung, die wir durch die Berge nehmen wollen, erweist sich als unpassierbar. Sie endet in dem Gewirr der Barrancos, der vielen oft tief ausgewaschenen Seitentäler.

 

Zur Küstenstraße zurückgekehrt schlagen wir an der Steilküste kurz vor der Dämmerung unser Zelt auf. 70 Meter tief fallen die Felswände senkrecht hinunter zum salzigen Wasser des Atlantiks, das mit Getöse auf die dunklen Lavafelsen schlägt und als weiße Gischt nach oben steigt. Wir finden keinen Abstieg zum erfrischenden Nass und verzichten so auf die ersehnte Erquickung.

 

Am nächsten Vormittag rollen wir an der Küstenstraße zwischen zahlreichen Bananenplantagen nach Los Gigantos. Mehrere Hundert Meter hohe Felsen stürzen hier fast senkrecht ins Meer. Für uns beginnt hier auf serpentinenreichen Straßen der erste Kampf in die Berge hinauf, beinahe von Meeresniveau aus.  Um so weiter wir uns hinaufschrauben, um so bezaubernder der Blick auf die Ortschaft Taimano und das darunter liegende Meer. Palmen, Kiefern, blattarme Bäume mit rosa Blüten, Kakteen noch und noch. Hoch über uns schmiegt sich eine Straße an die grünen Steilhänge: "Wenn wir nur erst an ihrem Abzweig wären!" Später liegt diese Straße tief unter uns, doch die Steigung nimmt und nimmt kein Ende. Und dort, wo wir in der Karte das Ende der ermüdenden Kletterei herauslasen, kommt das dicke Ende: Bei 18-20% Steigung, vielleicht sogar noch mehr, half kaum noch die Untersetzung. Wir zerren und drücken und haben Angst, den Lenker abzuwürschen und stehen dann mit klopfenden Herzen auf dem Pass, der in der Karte so unscheinbar ist. Mit Lächeln quittieren wir die Glückwünsche der deutschen Mietwagen-Touristen. Der uns scheinbar entgegengebrachte Respekt scheint manchmal gekünstelt.

 

Noch außer Atem und schweißtriefend blicken wir begeistert auf die urwüchsige Landschaft jenseits des Passes. Das graue schmale Asphaltband schlängelt sich durch das steile Grün in die Schlucht von Masca hinunter. Beim verspäteten Mittagspicknick aus dem Ruck­sack saugen wir die Urwüchsigkeit in uns auf, ehe wir in wilder Abwärtsfahrt nur noch dem Asphalt die Aufmerksamkeit schenken können. Das tief abseits im Tenogebirge versteckte und erst seit kurzem mit einer guten Straße verbundene Masca durcheilen wir nur, mit dem dumpfen Gefühl, hier etwas zu verpassen. Doch ausnahms­weise drängt uns die Zeit. Wir wollen am Westzipfel der Insel, an der Punta del Teno, endlich unser ersehntes und längst fälliges erstes Bad im Atlantik nehmen. Ständiges bergauf und bergab, rasante Talfahrt zurück auf "Null", Steilküste mit Tunnel und wir erreichen in der Dämmerung unser Ziel. Genüsslich tollen wir uns in den beinah schon gefährlichen Wellen des salzigen Atlantikwassers. Der Leuchtturm sendet seine ersten Lichtpfeile über das Meer. Fazit der Eintagesfahrt durchs Tenogebirge auf dem Westzipfel der Teneriffas: Höhen waren aus keiner Karte genau herauszulesen und so sahen wir uns wesentlich größeren Strapazen als erwartet gegenüber.

 

Auf der stark befahrenen Küstenstraße bewegen wir uns gen Nordosten und überqueren in Garachios den Lavastrom, der im 17. Jh. Teile der Stadt zerstörte. Icod de Los Vinos bietet uns und zahlreichen Touristen aus aller Herren Länder einen Drachenbaum, dessen Alter umstritten ist und in Reiseführern zwischen 600 und 5000 Jahren angegeben ist. In Puerto de la Cruz besuchen wir den Botanischen Garten. Eine Unmenge tropischer und suptropischer Pflanzen wie Palmen, Bananen, Gummibäume und natürlich auch Kakteen bilden hier ein dermaßen dichtes Grün, das sich wohl nur mit dem Urwald vergleichen lassen kann.

 

 

Von Null auf über 2000

 

Ein Tag mit „Bergwertung“ steht auf dem Programm. Wir wollen die Küstenregion wieder verlassen und kurbeln die Straße zur Caldera hinauf: 40 Kilometer nur bergauf. La Oratava ist schnell erreicht, bis dahin ist es noch einigermaßen flach. Den von uns erhofften Broilerstand gab es nicht am Straßenrand. Wir kauften in einem Supermarkt unser Mittagessen und rasten, ehe wir in den Nebel der Passatwolke eintauchen. Ihre Unterkante hängt in einer Höhe von ca. 800 Metern und zeichnet sich recht deutlich ab, solange man noch etwas entfernt von ihr ist. Mit dem Näherkommen verschwimmen die Konturen, die Luft wird immer diesiger und schließlich hüllt sie uns mit ihrer unangenehmen feuchtigkeitsgesättigten Luft ein. Die Sichtweite sinkt auf 20 Meter herunter und so verbirgt sich die Pracht des kanarischen Kiefernwaldes hinter dem diesigen Vorhang. Der Kampf nach oben fällt schwer. Jede Kurve ist willkommene Abwechslung in dem eintönigen Grau. Eine Stunde fahren, 10 min. Pause - das ist der Rhythmus. Doch auch diese Pause ist in diesem feuchtkühlen Klima keine Freude.

 

Was für ein prächtiger Augenblick, als der Nebel lichter wird und über uns der Dunst wie weggeblasen ist. Kaum vorstellbar: die Sonne scheint. Unter uns nach wie vor die graue Masse der Passatwolke. Die Sonne scheint schon den ganzen Tag hier! Welch erquickender Gedanke. Vor unseren Augen erhebt sich nun auch der Mt. Teide, schneebedeckt, majestätisch. Im letzten Licht der Abendsonne schlagen wir unser Zelt in der Caldera auf 2200 Metern Höhe auf. Schneereste neben dem Zelt zeugen von der erreichten Höhe. Andererseits muss man bedenken, es ist Januar und das weiße Etwas nichts ungewöhnliches für uns Mitteleuropäer. Es steht nur im krassen Gegensatz zu der Hitze, die wir an den Vortagen erlebten. Als wir nach Sonnenuntergang in die Schlafsäcke kriechen, sind draußen vorm Zelt 3°C, am nächsten Morgen gar 2° minus.

 

Die Sonne steigt erst gegen halb 10 Uhr über die umliegenden Berge der Caldera und durchwärmt uns angenehm nach der kühlen Nacht. Eifersüchtig schauen wir zum Teide rüber, der natürlich wesentlich eher von der Sonne verwöhnt wird. Doch der eben noch durchgehend blaue Himmel bedeckt sich nun schon wieder mit weißen Wolkenfetzen. Wetterumschwung oder die tägliche Passatwolke? Wir werden sehen.

 

 

Caldera und Mt. Teide

 

Wir rollen durch die Caldera. Eine bizarre Landschaft. Zerklüftete Lavafelslandschaft, trockene Sträucher, Schneereste. Noch scheint die Sonne angenehm warm. Die Wolken liegen tief unter uns in einer dichten Schicht. Unten also schlechtes Wetter, hier oben stabilisiert es sich. Wir planen hin und her betreffs des Gipfelsturmes und treffen zum Glück ortskundige Deutsche. Von unserem Standpunkt aus, dort, wo der Wanderweg von der Straße abzweigt, sei der Aufstieg in ca. 3 Stunden zu schaffen, erfahren wir. Das beflügelt unseren Elan. Wir biken über den gerölligen Weg nach oben, queren Schneefelder, treten, schwitzen, kämpfen - bis an die Stelle, wo wir glauben, zu Fuß schneller zu sein, das MTB nur noch hinderlich wird. Fünf Kilometer haben wir da bereits hinter uns. Das Zelt wird aufgebaut, gleich neben dem Weg, das Gepäck verstaut, die Fahrräder angeschlossen. Mit kleinem Gepäck (zusätzliche Bekleidung, Verpflegung, Trinken) streben wir gen Gipfel. Zunächst ist der Weg noch erkennbar, führt fast flach am Fuße des Kegels entlang. Als es ans Steilstück geht, ist von einem Pfad nichts mehr zu sehen, wir gehen aufs Geradewohl weiter. Stufe für Stufe treten wir in die steilen Schneefelder, die Noppen der leichten Wanderschuhe krallen sich fest im Harsch. Wegrutschen darf man nicht, die Talfahrt könnte irgendwo an einem Felsen enden. Etwas leichter wird es auf den Lavafeldern. Die großen Steine bieten einigermaßen Standfestigkeit. Anfangs kommen wir schnell voran, doch später machen sich die Strapazen des Vortages bemerkbar. Die Kletterei von fast Null auf 2200 Höhenmeter hinterließ ihre konditionellen Spuren. Die Zeit ist weit vorgeschritten. Um nicht der Gefahr ausgesetzt zu werden, im Dunklen absteigen zu müssen, kehren schweren Herzens wir um. "Heben wir uns den Teide für's nächste Mal auf", trösten wir uns. Heil wieder am Zelt anzukommen ist uns wichtiger als der Gipfelsieg.

 

30.1.

 

Bei minus 1° draußen vor dem Zelt warten wir darauf, dass die Sonne uns bescheint. Doch das dauert länger, weil Wolken über dem Ozean Schatten bringen. Dafür kommt sie plötzlich und mit aller Kraft. Die Luft ist noch kalt, wir verzichten auf das Frühstück und bewegen uns warm, was bei der Abfahrt nicht so einfach ist. An der Talstation der Drahtseilbahn angekommen, erfahren wir von einem Berliner Fahrradhändler-Ehepaar, dass die Besteigung des Gipfels von der Bergstation aus nicht möglich ist. Posten hindern alle "Gipfelwütigen" am Verlassen des Geländes um die Bergstation herum, weil es zu glatt sei. Wir sparen deshalb die 700 Peseten für die Fahrt nach oben, hatten wir doch am Vortag schon genug Aussicht erhascht.

 

Es geht weiter abwärts zum Felsen Los Roque in der Nähe des Parador de National de Tourism. Seine eigenartige Form lockt die Touristen scharenweise an und so werden auch hier Wächter damit beschäftigt, auf die Einhaltung der Ordnung zu achten: wir werden vom Fahrrad herunter gebeten, als wir uns fahrenderweise die Gegend anschauen wollten.

 

 

2000 Höhenmeter Abfahrt

 

Wir fahren zurück, vorbei an Seilbahn, deren Gondeln gerade bewegungslos auf der Strecke hängen. Ein Glück, dass wir verzichtet hatten. Der Strom war wohl ausgegangen. Die Straße nach Puerta Cruz durch das Orotavatal lassen wir diesmal links liegen. Wir fahren gen Nordostspitze der Insel auf dem Bergrücken, dessen Exponiertheit uns schon beim Anflug auf die Insel begeistert hatte. Ehe wir uns den Freuden einer 2000-Höhenmeter-Abfahrt hingeben können, ist nochmals Beinarbeit für ein Bergauf-Intermezzo gefragt. Schneeweiße Gebäude eines Observatoriums markieren die höchste Erhebung des Kammes, ab dort ist praktisch kein Pedalschlag mehr nötig, um nach La Laguna zu gelangen. Nur wenige und kurze Steigungen sorgen für Erwärmung und erinnern daran, dass Radfahren nicht nur Bergabfahren ist.

 

Der Bau der Straße hinterließ einige interessante Bodenaufschlüsse. Er zeigt die unterschiedlichsten Farbtöne: Schwarz, grau, rot, braun, weiß.

 

Zunächst liegt der Wald noch unter uns. Der Blick schweift ungehindert mal nach links oder nach rechts. Tief unten der Ozean. Zwischen ihm und uns eine wogende Fläche dunklen Grüns. Kiefern mit besonders langen Nadeln, wie wir später feststellen. In einer Höhe von 1000 Metern schlagen wir inmitten dieses alten Baumbestandes unser Zelt auf. Die Bäume sind bemoost infolge der ständigen Feuchtigkeit durch die Passatwolke.

 

 

Ins Anaga- Gebirge

 

Beizeiten ist gepackt und wir stehen an der Chaussee - Plattfuß an Lutz' Vorderrad. Wir finden kein Loch, pumpen neu auf und weiter geht es. Die Luft scheint zu halten.

 

Durch den Kiefernwald rollen wir talwärts. Der Wald wird lichter, die Baumheide ist erreicht. Zunächst zwischen den Bäumen niedrige Büsche, später geht der hohe Baumbestand zurück. An einer Kurve wird der Blick zum Südostzipfel freigegeben: jenseits von La Laguna zeigt sich das Anagagebirge von seiner schönsten Seite. Kann man einen solchen Anblick beschreiben? Beidseits der Ozean. Über seinem Wasser erhebt sich das steile, bizarre aber doch liebliche Bergland. Dicht an dicht reihen sich die Bergrücken, dazwischen tiefe Täler. Kräftiges Grün, durchbrochen von Felsen. Östlich schiebt sich langsam die vormittägliche Passatwolke in die Berge.

 

Auffahrt durch den Mercedeswald. Beeindruckende Blicke auf Teide und vorgelagerten Bergrücken, beiderseits wieder der Ozean, vor uns La Laguna.

 

Straff geht es auf die Berge hinauf. Doch wir haben uns inzwischen an die Berge gewöhnt und kommen rasch voran.

 

Inzwischen im Anagagebirge mit Ausblicken auf die bergige Inselspitze. In der Bergwelt einzelne Häuser, teilweise tief unter uns, wir sind wieder auf 1000 m Höhe. Das Gebirge wird von schmalen Straßen durchzogen, alles ist sehr steil. Die Berge sind nur teilweise bewaldet.

 

Wir fahren auf dem manchmal sehr schmalen Grat gen Südosten. Mitunter können wir gleichzeitig auf das Meer auf der linken und rechten Seite der Insel sehen.

 

Unser Ziel ist Tanaga auf der linken Seite des Grates. Man will scheinbar unseren Orientierungssinn durcheinanderbringen: Die Wegweiser für Tanaga und Santa Cruz zeigen nach rechts. Vertrauensvoll folgen wir der angewiesenen Richtung. Unterwegs werden wir von einem Deutschen aufgeklärt: Die Straße führt 1000 Höhenmeter weiter unten durch ein Tunnel auf die andere Seite. Nun verstehen wir auch die Verschlingungen auf der Landkarte.

 

Als wir aus dem Tunnel herauskommen, eine 16%-Abfahrt und schon wieder eine neue beeindruckende Aussicht. Hinter Tanaga folgen wir dem Auf und Ab der Küstenstraße. In Benecio endet der Asphalt, der Weg entfernt sich von der Küste und weicht auf die Steilhänge aus. Mühsam und skeptisch folgen wir dem anspruchsvollen Weg. Der Wunsch, das Zelt am Wasser aufzustellen, wird wohl unerfüllt bleiben. Ein Einheimischer klärt uns auf: der Weg führt weiter in die Berge hinauf und endet dort. Wir müssen unseren Plan aufgeben, den Zipfel der Insel zu umrunden und fahren zurück in Richtung Tanaga.

 

Wir nutzen die letzten Strahlen der Abendsonne und wollen an einer flachen Bucht ein Bad nehmen. Die Knie lassen wir uns umspülen, zu mehr trauen wir uns nicht. Die Wellen sind zu stark und gefährlich. Als wir weiterfahren, entdecken wir das Schild mit der Aufschrift "Achtung! Gefährlicher Strand! Starke Strömungen!"

 

Am Rande eines Dorfes auf einem Plateau unmittelbar über der Steilküste schlagen wir unser Zelt auf. Die kleinen Felsinseln unmittelbar vor der Küste werden von der Abendsonne als letztes beschienen, ehe die Dämmerung über das Anagagebirge hereinbricht. Wir machen es uns in dieser Abendstimmung gemütlich und freuen uns auf die Flasche Wein, die wir im Supermarkt preiswert erworben haben. Zu unserem Verdruss mussten wir feststellen, dass wir lediglich Traubensaft eingekauft hatten.

 

1.2.

Ein gewaltiger Anstieg steht uns bevor. Der Nachteil: wir fahren zurück, kennen also die Strecke und wissen, was uns bevor steht. Beim Frühstück am Zelt stärken wir uns - das erste Mal. Nach 3 km kommen wir nach Tanaga, lesen das Schild: "Frischer Fisch" und lassen uns locken. Tanaga soll ja für seinen guten Fisch berühmt sein und wir lassen uns zum zweiten Frühstück verleiten. Es ist ein üppiges Mahl. Brot mit Käse sind Vorspeise. Salat, komponiert aus Tomaten, Gurken, Zwiebel, Blattsalat und - für uns etwas neues - Oliven. Dazu eine würzige Pfeffer-Eßig-Kräuter-Öl-Curry-Soße, die auch dem folgenden Hauptgericht die notwendige Würze liefert: gebratener Fisch, der uns mit klaffenden Maul vom Tellerrand aus anschaut, dazu kleine Pellkartoffeln. Als Getränk lassen wir uns sittsam (da im Anschluss wieder Straßenverkehrsteilnehmer) Mineralwasser bringen. Doch zu solch einem landestypischen Essen muss das passende Getränk einfach sein: Wein, den wir uns dann doch noch kommen lassen.

 

Die Berge sind halb so schlimm und doppelt so schnell gepackt, als gedacht. Langsam, aber stetig und energisch kurbeln wir nach oben. 16% sind mit Gepäck kein Kinderspiel, aber die Untersetzung von 28:32 beim 26er MTB lässt einiges zu. Nach den ersten 3 km ist eine Verdauungspause fällig, ehe wir die weiteren 2½ Anstiege im sanften Sturm nehmen. Viel zu zeitig kommen wir am Mercedeswald an und haben nur noch die Abfahrt nach La Laguna vor uns. Am letzten Mirador machen wir deshalb ausgiebig Mittag, um nicht in der Mittagshitze in der Stadt anzukommen. Als wir später weiterfahren, ist von Hitze nichts mehr zu spüren. Ein kalter Wind bläst uns entgegen, es wird hundekalt, lange Bekleidung wird angelegt.

 

La Laguna durchkämmen wir systematisch nach Broiler und deutscher Zeitung, beinah erfolglos. Erst kurz vor Ladenschluss gegen 21 Uhr bekommen wir den Gummiadler, den wir auf dem Flughafen verzehren, wo wir auch (zwar nur) die BILD-Zeitung bekommen und so wenigstens etwas Deutsches zu lesen haben.

 

Wir wollen auf dem Flughafen übernachten. Nach 22 Uhr wird es immer ruhiger, wir werden immer unruhiger und schließlich bestätigt sich unserer ungute Vorahnung: der Flughafen wird über Nacht geschlossen, wir werden höflich hinaus komplementiert. Kein Bitten hilft, wir bekommen aber dafür einen Übernachtungstipp - ideal für Landstreicher und Obdachlose, als die wir uns zwar nicht fühlten, aber hilfreich ist der Tipp schon. So ziehen wir ein in einen halb fertig gestellten Rohbau, breiten unsere Isomatten auf kaltem, staubigem Beton aus und testen so schon mal das künftige Flughafenhotel.

 

Ankunft in Gomera

Wir waschen uns auf Flugplatz und bereiten alles auf Abflug vor. Abfertigung ohne Übergepäckzuschlag für Fahrräder. Steigen ein in eine ältere 2-motorige Propellormaschine (Focker-Wulf?), ca. 80 Plätze. 30 min. Flug nach El Hierro. Blick auf Teneriffa, später auf das wolkenbedeckte Gomera. Auf der anderen Seite La Palma, das ebenfalls in der Passatwolke steckt. Nun bereits wieder Landeanflug. Das Meer kommt näher, Hierro ist bald zu sehen. Die Landebahn ist auf einem Vorsprung, längs zum Ufer. Am Anfang und am Ende der Landebahn 10 Meter hohes Steilufer, dann die Gischt des Meeres. Die Maschine kann rechtzeitig abbremsen.

 

Gepäck kommt schnell, das zweite Inselabenteuer beginnt. Fahrt nach Tamaduste, wo wir einkaufen wollen fürs Wochenende. Außerdem soll es dort eine der wenigen Bademöglichkeiten geben. Mit Supermarkt ist hier in dieser Art Ferien- und Datschensiedlung nichts. Wir treffen einen Deutschen, der hier 3 Monate lang Urlaub macht, und erfahren einiges über die Insel. Schließlich lassen wir uns ein Restaurant zeigen und stärken uns mit Tintenfisch und Pommes, empfohlen von unserem Gastgeber. Weder Fisch noch Fleisch, das helle Tintenfisch-fleisch ist nicht so fasrig und weich wie sonst bei Fisch üblich. Zum Essen einen echten Hierro- Wein. Er sei einzigartig, erfahren wir. Das schwarze Lavagestein sorge dafür.

 

Die nächste Einkaufsmöglichkeit sei in Valverde, 11 km von hier - 600 Höhenmeter nur bergauf! Die Geschäfte machen 14 Uhr zu. Ich schaue auf meine Uhr: Viertel vor Eins! Ich mahne zur Eile, wir verabschieden uns, bekämpfen die Weinschwere in unseren Beinen und kurbeln los - keinen Kilometer, bis Lutz einen Plattfuß meldet. Wir flicken in Windeseile und die Angst, fürs Wochenende nichts Essbares im Rucksack zu haben, treibt uns weiter. Doch Lutz hat bereits wieder keinen Daumen breit Luft unter der Felge. Wir müssen uns schnell einigen: er soll allein reparieren, ich fahre einkaufen. Ich kurble weiter, vergleiche Kilometerzähler, Durchschnittsge­schwindigkeit und die unaufhaltsamen Zeiger der Uhr. Die Sonne prasselt unbarmherzig, die Straße steigt genauso unbarmherzig.

Pessimismus und Optimismus wechseln in rascher Folge: Als ich mit rasendem Puls das Ortseingangsschild passiere, ist es genau Zwei. Die Läden machen gerade zu. Ich drossele meine Geschwindigkeit und plötzlich durchfährt mich ein rettender Gedanke: Mir ist gerade eingefallen, dass ich bei der Einreise meine Uhr nicht auf die westeuropäische Zeit umgestellt und also noch eine Stunde Zeit habe. Als ich Lutz später davon erzählte, sagte er mir, er habe sich sowieso gefragt, warum ich eine solche Hektik mache. Hätte er mal einen Ton gesagt, hätte ich mir die sinnlose Plackerei sparen können.

 

Einkauf: Kakaomilch (sehr dick), Himbeermilch, Toastbrot (richtiges gabees nicht), Kuchen, 1 Liter Vino del Tinto (120 pes.), Käse, Apfelsinen, ... .

 

Idylle in der Einsamkeit

Halten uns an den Tipp vom deutschen Ehepaar aus Tamaduste und rollen gemäß Beschreibung im Norden der Insel wieder runter zum Meer (Chargo Manso ?). Nach Echedo auf Asphalt, danach 300-400 Höhenmeter auf unbefestigter Piste die kakteenbewachsenen Lavahänge, auf denen die meckernden Ziegen grasten, nach unten. Auch hier die schon oft gesehenen Lavagesteinsmauern. Sie dienen erst in zweiter Hinsicht als Zaun. Sie werden aus den vom Feld aufgelesenen Steinen errichtet. Man braucht so die Steine nicht abzutransportieren. Die so errichteten Mauern schützen außerdem die wertvolle Bodenkrume vor Winderosion.

 

Bald schauen wir auf die stark zerklüftete Küste. Ihr ausgefranster Rand ist von einem weißen Saum umgeben. Das windbewegte Wasser brodelt und schäumt, wo es auf das Ufer klatscht. Weiße Gischtfontänen steigen mehrere Meter hoch. Nun wird uns auch klar, dass man eine gut geschützte Stelle zum Baden braucht, will man Neptun keine dauernde Gesellschaft leisten.

 

Die empfohlene Badestelle ist schnell entdeckt. Es ist ein natürliches "50-Meter-Becken", durch eine Unterwasserfelsbarriere vor den gefährlichen Wellen geschützt. Dort brechen sich die Wellen und rollen beinah harmlos in das Bassin hinein. Trotzdem bleibt es ein unruhiges Wellenbad. Das Wasserbecken wird von steilen Felsen umgeben. Für den hier zum Glück noch nicht sichtbaren Touristenrummel wurde dieser Fleck ausgebaut: Treppenstufen hinunter zum  Bassin, eine Leiter ins Wasser hinein, Terrassen, Feuerstelle.

 

Wir stürzen uns in die Fluten und nähern uns vorsichtig dem Ausgang zum offenen Meer. Halt, weiter nicht, wollen wir uns nicht den Gefahren des strudelnden Wassers aussetzen und unweigerlich am rauen Lavagestein aufgerieben werden. Die Kraft des auf und ab wogenden Wassers sollte man nicht unterschätzen.

 

Wir wandern über die Lava des Küstenstreifens und entdecken Einbuchtungen, unterirische Gänge und Höhlen. In ca. 30 Meter Entfernung vom Wasser ein Schlund im schwarzen Gestein. Wir treten näher, schauen vorsichtig hinein. Plötzlich Getöse, ein Fauchen. Zunächst fein zerstäubtes Wasser, dann schießt eine Wassersäule vor unseren Augen in die Höhe. Wir sind erst erschrocken, müssen dann lachen. Wir versuchen, Regelmäßigkeiten des Zeitpunktes des natürlichen Springbrunnens herauszubekommen, was nicht gelingt. Wahrscheinlich müssen vorlaufende und Rücklaufende Welle sowie der Wind im richtigen Verhältnis zueinander stehen.

 

An dieser romantischen Stelle verbringen wir den Nachmittag und beschließen, hier auch zu übernachten. Vorgänger haben uns bereits mit Holz fürs Lagerfeuer ausgestattet, über dem wir die letzten Reste der deutschen Salami brutzeln. Unsere Schlafsäcke rollen wir unter einem Felsvorhang aus. Das laute aber gleichmäßige Grollen des Meeres hilft beim Einschlafen genauso gut wie der Vino del Tinto von Hierro.

 

Ein riesiger halber Krater

Am Nachmittag starten wir in Richtung San Andrés. An die Kletterei haben wir uns längst gewöhnt, der kilometerlange Anstieg ist nichts ungewöhnliches mehr. So kommen wir dann auch in der Dämmerung am Mirador de la Pena an und überblicken den El Golfo. Man vermutet, dass El Hierro die Hälfte eines riesigen Vulkankraters ist. Von unserem Aussichtspunkt aus können wir uns das gut vorstellen: In einem Halbkreis zieht sich ein 1000 Meter hoher Bergrücken von Meer zu Meer. Die andere Seite des Kraters soll im Atlantik versunken sein. Ein paar wenige Felsinseln setzten den Kreis im Wasser etwas fort und belegen diese Geologen-Theorie.

 

Abseits der Straßen

Im Gegensatz zu Teneriffa sind die Straßen auf Hierro leer. Wir fahren kilometerlang nebeneinander. Der Weg nach San Andrés ist schwer, weil laufend bergauf, und das gleich am Morgen. Der Wind bläst uns entgegen. Wir wissen nicht, ziehen wir etwas aus, weil uns recht warm wird oder ziehen wir etwas an, weil der Wind durch unsere nassgeschwitzte Bekleidung bläst.

 

In San Andrés. Einkauf im einzigsten Laden des Ortes: Käse, Wurst, Wein, Ketchup, Brot in der Bar.

 

Wir strampeln weiter hinauf, bis auf ca. 1300 Höhenmeter. Dort der Abzweig von der Hauptstraße nach Frontera, wir biegen links ab. Der Weg ist unbefestigt, aber glatt. Wir bleiben zunächst ständig auf gleicher Höhe. Die Wolkenfetzen ziehen gespenstisch über unseren Weg, im Dunst die Wachholderbäume. Vor einem Jahr tobte hier ein Waldbrand. Zwischen schwarzen Stämmen deuten zahlreiche grüne Triebe den Sieg der pflanzlichen Kraft an. Zeitweise, manchmal nur sekundenlang, reißt es auf, die Sonne scheint zaghaft, wir können hinunter zum Meer schauen. Doch für die lange Abfahrt ist es viel zu kühl, wir müssen uns warm anziehen. Die Unebenheiten des Weges hinderten uns an einer gemütlichen Abfahrt. Waschbrettmuster und sandige Abschnitte erforderten ständige Konzentration.

 

Ermita de los Reyas. Einsame Kapelle in diese verlassenen Gegend. Wallfahrtsort aller 4 Jahre. Kleiner Glockenturm, 2 abgedeckte Zisternen, alles weiß getüncht. Spanischer Solo-Wanderer.

 

Abstecher (4 km): Windflüchter. Jedoch finsteres Wetter.

1 km bergauf, dann 3 km fast nur bergab. Weg gabelt sich: El Sabinar (Windflüchter); Mirador.

 

Am westlichsten Punkt der Alten Welt

Abfahrt zum Faro de Orchilla, westlichster Leuchtturm der alten Welt. Es schüttelt uns durch und durch. Armeelager (Camping). Am Leuchtturm lautes, gefährlich klingendes Hundegebell, aber keine Zeltmöglichkeit, nur Lavafelder. Selbst die Vegetation, die oberhalb des Leuchtturmes noch vorkommt, fehlt hier. Nur taubes Lavagestein. Die Gegend ist nicht trist, sie ist interessant. Hinsichtlich unserer Zeltplatzsuche ist eine solche Landschaft aber deprimierend. Wir rollen weiter ins Ungewisse, auf steilem, Weg mit lockerem Belag - eine passive Strapaze. Mit schmaler Sportbereifung hätten wir schieben müssen. Wir sind skeptisch und befürchten, dass wir vielleicht am gleichem Abend wieder zurück zu müssen, ohne einen Zeltplatz gefunden zu haben. Doch der Weg muss doch irgendwo hin führen, er kann doch nicht im Nichts enden.

 

Der Weg endet am Meer. Ein Betonlandesteg für Fischerboote ist Endstation. Doch gleich in der Nähe entdecken wir ein Mauergeviert unterhalb einer Felswand. Das ist unser Schlafplatz! Freude! Eine weitere Entdeckung begeistert uns: Aus der Mauer schaut ein Wasserhahn heraus. Skeptisch drehen wir und heraus kommt warmes sauberes Waschwasser, nicht mit Salz versetzt, so können wir und endlich mal ordentlich waschen. Zum Trinken ist es nicht geeignet, doch wir haben genug Trinkwasser in unseren Kanistern.

 

Nach dem ersten Höhepunkt des Abends folgte der zweite: Ein gemütliches Abendbrot bei einer Flasche Wein, der eine zweite folgte. Zwei Anlässe hatten wir zu diesem Gelage: Dorothees Geburtstag (die Tochter der Mutter vom jüngsten Sohn von Lutz) und das Erreichen des westlichsten Punktes der alten Welt.

 

Zum Roten Strand

Mit mittelschwerem Kater nehmen wir die erste Steigung (2 km) bis zum Leuchtturm. Kurzer Rundgang.

 

Beim Aufwärtsfahren suchen wir uns die Fahrspur mit dem am wenigsten lockeren Belag heraus. Einerseits heißt es, kräftig in die Pedale zu treten. Mitunter muss man dies gefühlvoll tun, sonst droht das Hinterrad durchzudrehen. Gerade beim Anfahren ist Geschick gefragt, etwas zu kräftig getreten und unter dem Hinterrad spritzen Staub und kleine Steine nur so heraus. Aus dem Sattel zu gehen, ist immer wieder verlockend, doch im Nu fehlt das Gewicht auf dem Hinterrad, die Haftreibung verringert sich, das Rad dreht durch, rutscht weg.

 

Das Bergfahren macht langsam Spaß, ist es doch hier nicht nur Kraftakt, sondern auch Geschicklichkeitsfahren. Schneller als erwartet sind wir am Abzweig und befahren neues Terrain. Die Sonne scheint noch beharrlich, aber die ersten Wolken ziehen bereits wieder auf.

 

Abzweig runter zum Steilufer. Ist dies der Abzweig zum Playa de Verodal? Wir wissen es (noch) nicht und fahren weiter. Das fehlende Schild macht uns einigermaßen sicher. Serpentinenstraße das Steilufer hinunter, fast bis ans Wasser. Hier dann auch der richtige und ausgeschilderte Abzweig zum Roten Strand (1,5 km).

 

Unter 200 Meter hohen Felsen der berühmte Rote Strand, 200 m lang, 30-50 m breit. Die Sonne macht sich rar, es fängt an, leicht zu nieseln. Wir nehmen ein kühlendes Bad in den wahnsinnigen Wellen. Es macht riesigen Spaß, doch man muss auch aufpassen, wenn man im Wasser hin und her gebeutelt wird. Das folgende Spiel könnte ich bis zum Umfallen betreiben: ich stelle mich ins brusttiefe Wasser, warte auf die richtige Welle und stoße mich im richtigen Augenblick ab, den Kopf zwischen den vorgestreckten Händen. Die Wellenfront drückt auf den langgestreckten Körper und schiebt ihn vor sich her, bis in knöchelhohe Wasser auf den Sand, der plötzlich am Bauch entlang streift. Man hat das Gefühl, pfeilschnell durchs Wasser geschoben zu werden. Oft schaut der Kopf aus der Wellenfront heraus und man blickt auf das vor sich liegende Wellental.

 

 

6.2.

Wir warten darauf, dass die Sonne den Strand bescheint und sein Rot leuchtend zu Geltung bringt. Das dauert bis zum Mittag. Fotos, ein letztes Bad, Abschied von dem idyllischen Flecken.

 

Saltos unter Wasser beim nochmaligen Badevergnügen.

 

Über Rüttelschotterpiste zurück nach Sabinosa. Ein PKW kommt uns entgegen, hält vor uns, der Fahrer streckt seinen Kopf heraus:
"Seit ihr die Radfahrer aus der DDR?!“
“... der ehemaligen ?", fügt er noch schnell hinzu.

Verblüfft bejahen wir.

"Euer Ruf eilt schon um die ganze Insel!"

Radfahrende Touristen sind hier eher selten und so fallen wir auf.

 

In Sabinosa kommen wir mit knurrendem Magen an. Wir können weiter nichts bekommen wie das Wasser aus einer Heilquelle. Es soll 30 Minerale enthalten und Magen- und Darmkrankheiten kurieren. Es schmeckt nach nichts weiter als nach Salz. Wir haben den Verdacht, frisches Quellwasser vermischt mit Meerwasser zu trinken, was bei der Nähe des Brunnens zum Meer auch nicht verwunderlich wäre.

 

Weiter auf Schotterstraße nach Frontera. Stich mit 20% Steigung, aber asphaltiert. In einer Gaststätte leisten wir uns ein "Menu" für 600 Peseten: gut gekühltes Bier Pilsener Art, Vorsuppe, Brot, ein Hauptgericht mit Fleisch, Soße, Reis und Kartoffeln, dazu reichlich Ketchup, als Nachtisch Vanillepudding mit Colasirup.

 

In der Stadt ein Fahrradladen, den wir aber nicht brauchen.

 

Kanarische Kiefernwälder

16 km bergauf. Wir teilen diesen Stich, der uns die steile Vulkankraterinnenwand hinaufführt, in 2 Etappen und übernachten unterwegs. Wir finden keinen besseren Platz als einen neben einem Waldweg, fast unmittelbar auf dem Weg.

 

Treffen das deutsche Ehepaar vom Vortage. Erfahren etwas von der Lage am Golf in Nahost, wo gerade der Kriegt gegen den Irak in Kuwait tobt, und vom Wetter zu Hause. Im Erzgebirge sollen -24° sein, während wir hier in kurzen Hosen und T-Shirt durch die sonnendurchfluteten kanarischen Wälder fahren.

 

Zweigen auf gelb eingetragene Straße ab und rollen durch den Kiefernwald, aufgelockert mit grünen Wiesen. Der vulkanische Ursprung versteckt sich hier fast völlig. Nur ab und zu schaut aus dem kiefernnadelübersähten Waldboden ein dunkler Lavastein hervor. Die Dicke der Kiefernstämme oft mehr als 1 m Durchmesser, dicht bepackt mit wuchtiger Rinde. Der Wald muss Jahrhunderte alt sein.

 

Abstecher nach El Pinar. Kleiner Aussichtsberg. Blicken auf die Südspitze von La Restinga. Bis dahin noch 900 Höhenmeter abwärts, kaum vorstellbar, denn das Meer scheint schon recht nahe.

 

Zurück in den Kiefernwald, den die Passatwolke inzwischen eingenebelt hat. Abstecher zum Mirador de las Playas. Mittagspause. Nur wenn die Wolkenfetzen vom Wind weggeblasen werden, haben wir Blick fast 1000 m senkrecht nach unten. Am Ufer, winzig klein, liegt das Hotel Parador de Nacional. Die Hänge werden von den Barrancos, entstanden durch Erosion bei starkem Regen, zerfurcht.

 

Wir werden von einem österreichischen Ehepaar für den Abend ins Wohnmobil zu einem Wein eingeladen, das sie in der Nähe des Paradors abstellen wollen. Auf seine Empfehlung hin fahren wir zum Mirador de Bermeja. Der Aussichtspunkt liegt etwas unter der Passatwolke und so ist die Sicht etwas besser. Der Mirador ist gut ausgebaut, besteht aus mehreren kleinen Terrassen und angelegten Beeten mit Kakteen und Drachenbäumchen.

 

Die letzte Kurve vor dem Hotel Parador de Nacional: die Straße führt so knapp am Meer entlang, dass sie ständig von der Gischt der Wellen übersprüht wird. Wir müssen einen Moment abpassen, um einigermaßen trocken die Stelle zu passieren. Die Straße wurde durch rotes Lavagestein hindurchgetrieben. Im Bogen fahren wir am Fuße der Felsen entlang, die durch die 2 Miradors bestückt sind, die wir einige Stunden vorher besucht hatten. Unten sind diese Felsen nur mit Kraut und Wiese bewachsen, oberhalb beginnt die Baumregion, zunächst licht, dann dichte Kiefernwälder.

 

Am Parador angekommen, machen wir unsere Österreicher ausfindig. Ihr Wohnwagen steht in einer lockeren kleinen Siedlung von ca. 10 Häusern. Alles Deutsche hier, erfahren wir: sogenannte Aussteiger.  In der Nähe stellen wir unser Zelt auf, machen uns nach einem Bad landfein und folgen der Einladung. Kleines Abendbrot: Käse, harte Wurst, spanischer Tischwein aus dem Tetrapack. Der Mann war vor seiner Pensionierung Fahrlehrer. Trotzdem kann er sich jetzt einen mehrmonatigen Urlaub mit Wohnmobil leisten, wenn man auch nicht gerade im Überfluss lebt. Auch während seiner Zeit als Fahrlehrer standen interessante Urlaubsfahrten auf dem Programm, u.a. eine Nilflussreise und eine SU-Reise.

 

8.2.

Bad am Fels: Ich erkunde nochmals die Unterwasserwelt von Hierro. Der Unterwasserausflug lohnt sich: ich bin überrascht. War es eine Sinnestäuschung. Aber nein, ich sehe es immer wieder. Ein kleiner Schwarm Fische, deren Körper im Wasser neonblau leuchten. Faszinierend!

 

Abfertigung am Flughafen unfreundlich. 3000 Pes. Übergepäck. Die Luft wurde rigoros aus den Reifen abgelassen, trotz unseres Vetos und obwohl wir mit dem Flugzeug kaum eine Höhe von 2000 m überschreiten.

 

Blick auf das unter einer Wolkendecke liegende Gomera, nur die Uferzonen schauen heraus. Auch Teneriffa wird von der Passatwolke bedeckt, doch hier lugt der Mt. Teide aus dem Wattemeer heraus. In weiter Ferne, im Dunst La Palma. Grand Canaria ist fast überhaupt nicht zu sehen.

 

Fuerteventura

In Fuerteventura erhalten wir sämtliches Gepäck über die Bandschleife, auch die Fahrräder. So sehen die Fahrräder auch aus und die Luftpumpe fehlt, die ich dummerweise dran gelassen hatte.

 

Erster Eindruck von der Insel: kaum bewachsen, riesige Flächen von Geröll und Sand. Darauf spärliche Vegetation, trockene Büsche. In der Mitte der Insel einige Bergrücken.

 

Wir fahren die Küstenstraße südwärts. Einkauf im Supermarkt.

 

Machen kurze Pause in der Ortschaft, die auf der Karte mit einer Festung versehen ist. Diese ist von einem Hotel einverleibt worden und nicht öffentlich zugänglich. Typisches Urlauberdorf. Sonnenschirme in Reih und Glied. Am Ufer im Anschluss des Hotel-Sandstrandes suchen wir uns einen Zeltplatz. Dh., das Zelt lassen wir verpackt, wir machen es uns in einer kleinen als Windschutz errichteten Steinburg bequem. Es weht ein frischer Wind, doch Steinwall und Schlafsäcke schützen uns. Über uns ein Sternenhimmel, wie er in Europa wegen der Luftverschmutzung kaum zu beobachten ist.

 

9.2.

Die Sonne weckt uns. Langsam steigt sie aus dem Meer empor. Gemütliches Frühstück ist erforderlich, um die taufeuchten Schlafsäcke trocknen zu lassen.

 

Wir rollen weiter auf der Küstenstraße nach Süden. Biegen ab nach Antigua. Die Landschaft erinnert uns an Mittelasien, an die Gegend um Dshambul. Keine Bäume, sieht man von den palmenbesetzten Oasen ab. Steinige, öde Landschaft, nur niedrige Büsche.

 

In verschlafenen Antigua verproviantieren wir uns fürs Wochenende. Wir fahren in Richtung Tanguria. Die Steigung der Straße nimmt zu. Ein Abzweig nach Puerto de Rosario, wir bleiben links. Überraschend für uns - der Anstieg nimmt und nimmt kein Ende. Berge von fast 700 Metern Höhe stellen sich uns in den Weg. Kurve für Kurve passieren wir und hoffen jedes mal, es geschafft zu haben. Mit dem Glauben, auf einer flachen Insel zu radeln, fällt uns der Pass schwer, obwohl er mit den Anstiegen von Teneriffa und Hierro nicht zu vergleichen ist. Doch der Ausflug lohnt sich. Immer wieder fantastische Ausblicke auf die Ebenen unter uns, manchmal sehen wir den Atlantik zu beiden Seiten der Insel gleichzeitig.

 

Abfahrt nach Pentacuria hinunter. Mittagsrast vor dieser alten Hauptstadt von Fuerte. Ein paar alte Gebäude, eine Kirche, ein Museum.

 

Das Tal, das wir abwärts fahren, wird immer grüner. Die Palmen werden zahlreicher. Auffällig auch die unzähligen Agaven. Sie erinnerten teilweise an Kohlrabi, der "geschossen" ist. Aus der Mitte dieser Kakteen wuchs ein schlanker Stamm heraus, mitunter bis zu 5 Metern und mehr hoch.

 

In dem dicht besiedelten Tal spürt man den Willen der hiesigen Menschen, die gebotenen Reserven der Natur zu nutzen, um das bestmögliche aus dem Land herauszuholen. Emsig wurden auf den kleinen Feldern Bewässerungskanäle gezogen, umgegraben, gepflanzt, ... . Unzählbare Windräder treiben Wasserpumpen an, um das kostbare unterirdische Nass nutzbar zu machen.

 

Die Asphaltstraße zum Stausee erweist sich als Sackgasse. Wir kehren um und kämpfen uns auf einen weiteren 500-m-Pass hinauf. Eine sanfte, langgezogene Abfahrt lässt die ohnehin geringe Strapaze vergessen. Ohne Pedalschlag und mit wenig Bremsen lassen wir die Bikes den groben Asphalt hinunter surren.

 

 

Hier endet mein Tonband. Das Festhalten meiner weiteren Eindrücke wird offenbar Opfer meiner Faulheit.

 

Abschließend möchte ich resümieren, dass die Schilderung der Eindrücke auf Band keine üble Sache und scheinbar lohnenswert ist. Ergänzende schriftliche, z.B. statistische Angaben wären vorteilhaft.

 

 

Jens-U. Groß